Wie führe ich richtig?
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Wie führe ich richtig?
Ich Boss, du nix – das war einmal. Was zeichnet eine gute Führungskraft heute aus? Und welche Grundsätze sollte eine moderne Mitarbeiterführung beherzigen? Im Interview gibt der Führungskräfte-Trainer und promovierte Informatiker Dr. Harald Kirchner Einblicke in seine MVR-Trainings.
Frank Müller: Herr Dr. Kirchner, was ist der größte Fehler, den eine Führungskraft begehen kann?
Harald Kirchner: Grundsätzlich – wenn sie „Führen“ mit „Anordnungen durchsetzen“ verwechselt. Wir alle tun unsere Arbeit nur dann optimal, wenn wir Spaß daran haben, wenn wir einen Sinn darin sehen und Anerkennung für unsere Arbeit erhalten. Das geht nicht durch Zwang. Wir alle kennen jemanden, der seine Arbeit nur schleppend und lustlos abliefert, aber nach Feierabend im Sportverein, bei den Taubenzüchtern oder bei der Feuerwehr phantastische Arbeit leistet.
F.M.: Wie kann man es besser machen?
H.K.: Zunächst, indem man den Mitarbeiter nicht als Untergebenen, als Befehlsempfänger, sieht, sondern als Mit-Arbeiter mit einem eigenen Kopf und eigenen Ideen. Dieses Potenzial kann man jedoch nur nutzen, wenn man den Mitarbeiter ausreichend mit Informationen versorgt: Was ist die aktuelle Situation, wo wollen wir hin und warum? Eine Führungskraft muss Sinn geben, das „Warum?“ klären. Insbesondere, warum die Tätigkeit wichtig für den Gesamterfolg ist. Solange ein Mitarbeiter eine Aufgabe nicht selbst als ein für ihn erstrebenswertes Ziel definiert, wird er die Aufgabe nicht zu 100 Prozent erfüllen. Schlimmer noch: Wenn er tun muss, was er nicht will, wird er offen oder im Verborgenen opponieren. Beides bringt kontraproduktive Effekte mit sich. Hat der Mitarbeiter die Bedeutung seiner Aufgabe und das Ziel verstanden, hat er in den meisten Fällen eigene Ideen zur Umsetzung. Alles, was der Mitarbeiter selbst vorschlägt, wird er in der Regel gut und gerne tun.
F.M.: Was halten Sie von Kontrollen?
H.K.: Wenn wir uns die Ergebnisse nicht ansehen, also kontrollieren, können wir dem Mitarbeiter auch keine Anerkennung in Form von Lob geben. Und eine Führungskraft kann nicht genug loben. Auf eine kritische Anmerkung sollten drei lobende Bemerkungen kommen – mindestens. Aber auch das Loben will gelernt sein. Loben Sie immer zuerst den Menschen und seine Leistung, erst dann die Sache. Und schließlich: Nur das Lobenswerte loben. Ein Ergebnis kann für einen Berufsanfänger eine herausragende Leistung darstellen, für einen langjährigen Mitarbeiter aber nicht der Rede wert sein.
F.M.: Damit ist das Ziel schon erreicht?
H.K.: Nein. Vielen Teilnehmern meiner Trainings ist oft nicht klar, worüber man spricht, wenn man über Ziele in der Arbeitswelt spricht. Ein Ziel sollte immer eindeutig, realistisch, erstrebenswert und terminiert sein. Doch davor scheuen viele Führungskräfte zurück. In diesem Punkt muss man sich disziplinieren, sonst wird die Zielbeschreibung schnell diffus, und jeder versteht etwas anderes darunter. Daran sieht man: Führen bedeutet immer auch gute Kommunikation.
F.M.: Stichwort Gerechtigkeit, empfehlen Sie, alle Mitarbeiter gleich zu behandeln?
H.K.: Menschen haben im Allgemeinen ein sehr feines Gespür für Gleichbehandlung. Mein Credo lautet: „Behandle jeden gleich, nämlich jeden unterschiedlich, nämlich jeden so, wie er es braucht.“ Man muss seine Mitarbeiter gut kennen, um auf ihre Bedürfnislagen eingehen zu können. Wenn ich weiß, dass einem Mitarbeiter Ansprache sehr wichtig ist, werde ich ihn nicht in ein leeres Büro setzen, oder zu Kollegen, die sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Im Grunde geht es darum, für den Mitarbeiter Voraussetzungen zu schaffen, sodass er seine beste Leistung zum Wohle des Unternehmens erbringen kann. Generell werde ich mich mehr darauf konzentrieren, seine Stärken zu stärken, als seine Schwächen auszumerzen. Genauo wichtig ist es, die richtige Balance zwischen Team und Individuum zu finden – wie uns der Fußball lehrt: „Die zehn Besten sind nicht notwendigerweise die besten Zehn!“
F.M.: Wie geht man mit schwierigen Situationen im Berufsalltag um?
H.K.: Bei schwierigen Situationen im Umgang mit Mitarbeitern: Zunächst – Haltung annehmen. Ich nenne dieses Vorgehen „Bundespräsident sein“. Wer ruhig und souverän ist, beeindruckt die anderen schon durch seine Ausstrahlung, bevor er etwas gesagt hat. Dann: Fragen und noch mal fragen. Wer fragt, der bringt den anderen in Zugzwang und führt das Gespräch. Schließlich: Nur Schlachten schlagen, die wir gewinnen können. Wenn ich einen Mitarbeiter kritisieren muss, ist es völlig falsch, ihm Vorwürfe zu machen. Im Zweifelsfall streitet er alles ab oder stellt Behauptungen auf, die Sie nicht widerlegen können. Und sei es auch nur deshalb, weil Sie die Information nicht haben. Auch geht in den meisten Fällen ja nur darum, dass der Mitarbeiter sein Verhalten ändern soll. Das macht er jedoch nur, wenn er die Auswirkungen seines Fehlverhaltens erkennt und selbst verurteilt.
F.M.: Sie lehren also Techniken für unterschiedliche Gesprächssituationen?
H.K.: Genau. Ein Großteil des Führungsalltages besteht aus Gesprächen mit dem Team, mit dem einzelnen Mitarbeiter oder mit Kunden, Kollegen oder dem Chef. Hierbei können Fehler gemacht werden, die jeder Führungskraft das Leben sehr schwer machen können. Umgekehrt können Kleinigkeiten eine große positive Wirkung erzielen. Wir geben den Trainingsteilnehmern für die wichtigsten und häufigsten Gespräche einen klaren Gesprächsleitfaden an die Hand. Das mag formalistisch klingen, gibt aber den Teilnehmern zunächst Sicherheit. Wir erläutern aber auch, was der Grund jedes einzelnen Schrittes ist und warum er so formuliert ist, wie er formuliert ist. Mit diesem Verständnis, mit Übung während des Trainings und guter Vorbereitung vor dem entsprechenden Gespräch ist jeder Teilnehmer schnell in der Lage, den Gesprächsleitfaden an die jeweilige Situation und an die jeweilige Person anzupassen und jedes Gespräch souverän zu führen.
F.M.: Was lernen die Teilnehmer außerdem?
H.K.: Wir nennen unsere Trainingsmethode rational-emotional. Die Teilnehmer erhalten Werkzeuge an die Hand, wie beispielsweise die Gesprächsleitfäden, die sie rational einsetzen können. Generell geht es um den richtigen Umgang mit anderen Menschen. Wir trainieren deshalb auch die emotionale Seite unserer Teilnehmer, und wie diese das Unterbewusstsein ihrer Mitarbeiter ansprechen und beeinflussen können. In diesen Bereich fällt etwa die Selbstmotivation. Jemand, der lustlos ins Büro schleicht und schlechte Stimmung verbreitet, kann seine Mitarbeiter nicht begeistern und mitreißen.
F.M.: Welche Seite ist wichtiger, die Theorie oder die Praxis?
H.K.: Die Mischung macht es aus. Es ist wichtig, sich die Grundprinzipien des Miteinanders immer wieder ins Bewusstsein zu rufen und zu wissen, warum Menschen sich so verhalten, wie sie es tun. Genauso wichtig sind praktische Übungen. Nur weil wir wissen, was wir beim Skifahren beachten sollten, sind wir noch lange keine guten Skifahrer! In den Übungen werden die Teilnehmer an die speziellen Probleme herangeführt. Nach 40 Jahren und tausenden von Trainingsteilnehmern wissen wir, wie wir die Trainingsteilnehmer durch Erfolg bei den Übungen motivieren können. Andererseits lassen wir die Teilnehmer aber auch „kontrolliert scheitern“, damit sie sich spezieller Schwierigkeiten bewusst werden und diese danach souverän meistern können. Wer nichts Neues wagt, kann auch keine neuen Erfahrungen sammeln und sich entwickeln. Ein Satz, den ich immer gleich am Anfang auf das Flipchart schreibe, lautet: „Blamiere dich täglich!“ Das bedeutet natürlich nicht, dass wir vorsätzlich einen Deppen aus uns machen sollen, sondern ist als Synonym für „Chancen nutzen“ zu verstehen. Das gilt sowohl im Training durch die aktive Teilnahme an den Übungen, als auch im täglichen Leben als Führungskraft.
F.M.: Wenn Sie Ihre Philosophie beschreiben sollten, was würden Sie sagen?
H.K.: „Erfolg sollte nicht zufällig sein, Erfolg sollte wiederholbar sein!“ Es gibt einige wenige Menschen, die intuitiv ihr ganzes Leben lang alles richtig machen. Die meisten Menschen gehören nur leider nicht zu dieser seltenen Spezies. Es geht darum, zu wissen, wie und warum gewisse Dinge funktionieren. Dann kann man sie bewusst einsetzen, und der Erfolg ist wiederholbar.
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